Vom Geschichtsinteresse, über die historische Darstellung, zum Bauherren eines historischen Dorfes

Der Semnonenbund gründete sich im Jahr 2000, zunächst als loser Zusammenschluss von Jugendlichen und Erwachsenen, deren Interesse der europäischen Ur- und Frühgeschichte galt.
Das Hauptaugenmerk lag allerdings auch zu dieser Zeit schon auf der Erforschung der heimischen Regionalgeschichte und da alle damaligen Mitglieder dieses Interessenkreises aus Berlin oder dem Land Brandenburg stammten,  rückte immer stärker die für die Öffentlichkeit am wenigsten greifbaren Periode der ostdeutschen Geschichte in den Fokus, der Zeit der vorslawischen Besiedlung, also dem Zeitalter der sogenannten Germanen in der Mark. Ein Thema, welches sich in den folgenden Jahren als deutlich anspruchsvoller, weil deutlich umfangreicher und vor allem für die Region viel bedeutender herausstellen sollte, als jeder der Beteiligten zu diesem Zeitpunkt ahnte.

Ähnlich wie im so genannten 3. Reich die germanische Geschichte Deutschlands und Europas aufgebauscht, verklärt und zu rassistischen Zwecken missbraucht wurde, wurde leider in der darauf folgenden ehemaligen DDR die Bedeutung der Germanen für die europäische Geschichte kleingeredet und zugunsten eines, den gesamten ehemaligen Ostblock umspannenden „Panslawismus“ von der Forschung weitestgehend übergangen. Gerade in der DDR hatte die Beschäftigung mit der germanischen Geschichte den Ruch des revisionistischen, reaktionären und wurde von staatlicher Seite argwöhnisch beäugt.
Dementsprechend stand den Mitgliedern des Semnonenbundes nur ein sehr dürftiges Repertoire aus historischen Überlieferungen, teilweise überholter Vorkriegsforschung und den raren Publikationen zu archäologischen Grabungen der ehemaligen DDR zur Verfügung.

Doch schon allein dieser Fundus brachte in den ersten Jahren unglaubliche Fakten an den Tag, wie zum Beispiel die Tatsache, dass die in unserer Region ansässigen Semnonen, die in ihrer Hochzeit fast das gesamte Ostdeutschland besiedelten, vermutlich zu den ersten germanischen Stämmen oder Völkern überhaupt gehören. Ihre wissenschaftlich belegbaren Spuren lassen sich mittlerweile in die Zeit vor dem 5. Jhd. v.d.Z. datieren und gehen erst mit dem 5. Jhd. unserer Zeit allmählich in der slawischen Folgebesiedlung auf. Eine ca. tausendjährigen Siedlungskontinuität und die Wow-Momente rissen nicht ab!
Doch allein schon dieser unglaubliche Zeitraum, von der Geschichtsforschung bis doto noch nie zusammenhängend aufgearbeitet, bot uns jede Menge Raum zur Erforschung und vor allem für eine diesbezügliche historische Darstellung.

Vereinsgründung

Eine historische Darstellung der Semnonen war bis dato deutschlandweit nicht vorhanden und so wurde die Darstellung der Berlin-Brandenburger Regionalgeschichte zum Hauptanliegen des Vereins.
Da diese Wissenslücke, bezüglich der 1000-jährigen germanischen Geschichte Ostdeutschlands sich quer durch alle Bevölkerungsschichten zog, sollte unser „Regional Living History“ auch  Jedermann angeboten und unser Wissen der interessierten Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Im Oktober 2002 fand dann die reguläre Vereinsgründung des Semnonenbund e.V. in Brandenburg/Havel statt. Der Antrag auf  Eintrag ins Vereinsregister erfolgte dann später in Nauen, vor allem, weil gut die Hälfte der Mitglieder dort lebte und auch der 1. Vorsitzende Nauener war.
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und deren Eintrag ins Vereinsregister der Stadt Nauen folgte ein gutes Jahr später.

Bald schon häuften sich die Anfragen bezüglich historischer Auftritte, Vorträge und ganzer Rahmenprogramme.
Mal fuhren wir an eine Schule für unterrichtsbegleitende Vorträge oder eine themenbezogene Vorführung, ein anderes Mal stellten wir traditionelles Handwerk in einer Senioren-Residenz  vor oder stifteten das gesamte Programm zum Betriebsfest einer großen Berliner Firma, mit Lager und verschiedenen moderierten Kampfvorführungen.
Oft genug stand der im Vorfeld betriebene Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Vorführung, besonders wenn der Interessent oder Auftraggeber ein umfangreiches Programm wünschte und noch dazu der Ort der Darstellung nicht in unmittelbarer Nähe lag.

Immer stärker kristallisierte sich die Idee heraus, sich einen passenden Ort für eine dauerhafte Darstellung zu schaffen.
Da die historische Darstellung trotzdem auch weiterhin „ganzheitlich“ sein sollte, also alle wichtigen Aspekte des Alltags vor 2000 Jahren, wie die Lebensumstände, Handwerk, Kultur, Glaube und Kriegertum gleichermaßen beinhalten sollte, kam als Rahmen für dieses Projekt nur ein historisches Dorf in Frage.

Ein Ort für ein Dorf

Um eine größtmögliche Authenzität zu erreichen, sollte eine gut dokumentierte germanische Siedlung zw. 300 v.d.Z. bis 300 n.d.Z. gefunden und in Teilen rekonstruiert werden.
Die Wahl fiel auf die Siedlung von Nauen Bärhorst, welche schon von Doppelfeld und Behm-Blancke eingehend beschrieben und auch später von Archäologen und Historikern wie P. Schöneburg oder Dr. Manfred Kluger behandelt wurden.
Diese Beiden wurden dann auch zu unseren direkten Ansprechpartnern und vor allem mit Dr. Kluger verband den Vorstand schon bald ein intensives Verhältnis der Zusammenarbeit, welches bis zu dessen Tod im Jahr 2009 anhielt.
Der Semnonenbund e.V. hat diesem großartigen und engagierten Historiker viele Ideen, Anregungen und Unterstützung zu verdanken.

Unmittelbar nach dem Beschluss begannen sowohl die Suche nach einem geeigneten Grundstück, als auch die Planungen zum Projekt „Historisches Dorf GANNAHALL“, parallel zur laufenden Vereinsarbeit.
Die Stadt Nauen stellte dem Verein für die Durchführung des Projektes zunächst das Gelände des Bürgerparks am Großen Havelländischen Hauptkanal zur Verfügung, welcher sich von der Graf Arco-Straße bis zum Ludwig-Jahn-Sportplatz erstreckt. Da der Bürgerpark an sich nur in geringem Maß bebaubar war,  wurde die angrenzende Wiese von privat langzeitgepachtet.
Ende 2003 wurde mit den ersten Planungsschritten zur Erstellung eines Bebauungsplanes begonnen. Der angrenzende „Angler-Parkplatz“ des Bürgerparks, wurde kurz darauf in einer Zwangsversteigerung vom Semnonenbund e.V. erworben.
Sofort begannen die Mitglieder des Semnonenbundes, das Projekt mit öffentlichen Veranstaltungen zu bewerben.
Nur zwei Jahre später jedoch, im Dezember 2005, kurz nach der Fertigstellung des Grundkonzeptes, wurde plötzlich der Vertrag für das gepachtete Grundstück gekündigt, weil der Besitzer zu verkaufen wünschte und der Verein derzeit nicht über die nötigen Mittel verfügte, auch dieses Grundstück zu erwerben.

Da der Bürgerpark allein für die Umsetzung des Projektes nicht geeignet war, musste der Standort aufgegeben und eine neue Planungsfläche gefunden werden.
Parallel begann der Semnonenbund mit einer Reihe von Aktionen und Benefizveranstaltungen um an die nötigen finanziellen Mittel zu kommen, das Projekt GANNAHALL an anderer Stelle umzusetzen.
Auch die gemeinnützige und sonstige Vereinsarbeit lief weiter wie bisher, wenngleich dieser Rückschlag auch ein nachlassendes Engagement vieler Mitglieder zur Folge hatte.
Das öffentliche Interesse am Projekt GANNAHALL und den sonstigen Vereinsaktivitäten, wie zum Beispiel dem alljährlich stattfindenden öffentlichen und kostenlosen Hallentraining im historischen Schwertfechten, hielten jedoch unvermindert an und ermutigten uns zum Weitermachen.

Es sollte allerdings bis Anfang 2008 dauern, bis in Kooperation mit der Stadt Nauen ein passendes Ersatzgelände gefunden wurde, welches eine ähnliche Lageaufwies, wie die ursprüngliche Siedlung von Nauen-Bärhorst und infrastrukturell entsprechend angebunden war.
Im April wurde ein Erbbaupachtvertrag mit der Stadt unterzeichnet und umgehend mit der erneuten Planung begonnen.

Rückschläge und Fortschritte

Wieder vergingen gut drei Jahre in denen die eigentliche Vereinsarbeit immer mehr ins Hintertreffen geriet und im Grunde nur noch aus der Arbeit des Vorstandes bestand, der von Behördentermin zu Behördentermin und von Planungstreffen zu Planungstreffen reiste, Konzepte erstellte und Änderungen vornahm, bis der Bebauungsplan zum Jahreswechsel 2011/12 schließlich endgültig fertiggestellt und von allen nötigen Ausschüssen und Behörden genehmigt war.
Die Erstellung des B-Plans brachte den Verein erstmals in finanzielle Bedrängnis.
Die Suche nach finanziellen Unterstützern in Form von Sponsoren oder Spendern gestaltete sich schwierig, wohl auch weil das öffentliche Interesse in den zurückliegenden Jahren immer weiter nachließ. Darüber hinaus beanstandete das Finanzamt die Finanzierung des Projektes durch Benefiz-Veranstaltungen wie das „Rock for Roots“ und drohte den Freistellungsbescheid zukünftig nicht mehr auszustellen, womit der Semnonenbund e.V. seinen Status der Gemeinnützigkeit verloren hätte.
Das „Rock for Roots“-Festival fiel damit langfristig als Haupteinnahmequelle aus.

Schließlich musste der Verein zu allem Überfluss seine Lagerhalle, in der Baumaterial, Werkzeug und Maschinen untergebracht waren, welche während der letzten Jahren angeschafft worden waren, in Folge eines  Grundstückverkaufs  geräumt werden.
Die als Alternative angemietete Halle erwies sich langfristig als untauglich, da sie Einbrechern gute Möglichkeiten bot und darüber hinaus das Material nicht hinreichend vor Witterung und Schädlingsbefall geschützt war.

Zu Beginn des Jahres 2013, gut 10 Jahre nach seiner Gründung stand der Semnonenbund e.V. wieder ganz am Anfang.
Die Bauphase hätte beginnen können, doch der Verein verfügte nun weder über geeignetes Baumaterial, noch über Werkzeug oder über finanzielle Einnahmen um beides anzuschaffen.
Darüber hinaus hatten während der letzten Jahre fast zwei Drittel der Mitglieder dem Semnonenbund den Rücken gekehrt.
Die Gründe dürften vielfältig gewesen sein, doch als Hauptargument wurde beim Austritt stets Desillusionierung angegeben. Die Vereinsmitglieder glaubten nicht mehr an ein Gelingen des Projektes und vermuteten unter anderem widrige Kräfte auf diversen Entscheidungsebenen, die zu verhindern suchten, dass das historische Dorf zur Umsetzung käme.

Doch wir wären nicht wir, hätten wir uns nach all den Jahren von diesen Rückschlägen entmutigen lassen und auch wenn der im Erbbaupachtvertrag vorgeschriebene Zeitplan unter diesen Voraussetzungen unmöglich einzuhalten war, wollten wir es zumindest nichts unversucht lassen.
Wieder wendeten wir uns an die Stadt Nauen und siehe da, die wichtigen Entscheidungsträger waren immer noch vom kulturellen, touristischen und pädagogischen Potential unseres Projektes überzeugt.
Fortan unterstützte die Stadt Nauen den Semnonenbund e.V. mit dem benötigten Baumaterial aus dem Nauener Stadtforst.
Nach und nach kam der Verein über private Spenden auch wieder an dringend benötigtes Werkzeug und 2014 wurde das erste Baumaterial von den verbliebenen  Mitgliedern, sowie einigen befreundeten Helfern geschlagen.
Bis jetzt, Stand August 2016, wurde nach Methoden der experimentellen Archäologie zunächst ein Stück Palisadenzaun gestellt, sowie eines der Arbeitshäuser (Schmiede) und die Grundkonstruktion von Langhaus 1.
Auch der Veranstaltungsbetrieb wurde wieder aufgenommen und die Öffentlichkeit beginnt sich wieder für das Projekt zu interessieren.

Und genauso, wie wir an unseren Aufgaben wachsen, wächst mit den Erfolgen auch der Verein wieder, die Mitgliederzahlen erholen sich allmählich und auch die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen nimmt zu.
Bis dato haben mehr als zehn straffällig gewordene Jugendliche im Programm „Arbeit statt Strafe“ ihre Arbeitsstunden im Projekt GANNAHALL abgeleistet.
Außerdem hat der Semnonenbund e.V. Anfang 2016 zwei Arbeitsstellen über das „100 Stellen-Programm“ des Landkreises Havelland besetzt und zwar eine feste Hausmeisterstelle auf dem Projektgelände für die praktischen Abläufe vor Ort und die Stelle eines Koordinators, welcher die fachlich und historisch korrekte Umsetzung des Projektes  überwachen, Veranstaltungs- und Betriebskonzepte erstellen, sowie Öffentlichkeits- und Verknüpfungsarbeit leisten soll.

Blick in die Zukunft

Zukünftig ist geplant,  die Zusammenarbeit mit der Stadt Nauen, dem Landkreis Havelland, sowie dem Tourismusverband und anderen Einrichtungen zu intensivieren.
Auch der Kontakt zu den regionalen Flüchtlingsheimen soll ausgebaut und die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit erörtert werden.
Vor allem in Nauen werden wir  versuchen unsere Bekanntheit zu nutzen und vor dem Hintergrund der jüngeren Vorkommnisse ein Zeichen setzen um mit gutem Beispiel voranzugehen wenn es heißt Vorurteile abzubauen und vor allem der übrigen Welt zu zeigen, dass unsere germanische Regionalgeschichte nichts mit Rassismus oder Faschismus zu tun hat, sondern einige wichtige und wertvolle Beiträge zur europäischen Gesamtgeschichte beigesteuert hat, die es verdient haben beachtet und geachtet zu werden.